Danke, Volo

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Vorbemerkung: Der folgende Text ist eine Satire. Der Volo hat diesen Frevel selbstverständlich nicht verdient. Wir sprechen auch heute noch miteinander, manchmal sagen wir auch nette Dinge. Ich kam dennoch nicht umhin, diesen Text zu schreiben. Misanthropie macht süchtig, sagen manche.

Noch einer dieser Strebertypen. Es war der erste Gedanke, als er durch die Tür trat. Seine arrogante Höhe wollte nicht so richtig wirken. Dafür sah er zu sehr aus wie ein Sheldon Cooper aus Ahldorf, eine Gottesanbeterin mit Dackelblick. Trotzdem war seine Präsenz irgendwie – angenehm wäre hier zu viel gesagt. Es lässt sich wohl am ehesten mit dem Halten einer Katze beschreiben. Damit das Vieh nicht zu atmen aufhört, stellt man ihm jeden Tag eine Schale „Weiß der Geier was“ hin und in stillen Momenten, wenn die Langeweile jede einzelne Zelle des Ichs durchdrungen hat, dann tätschelt man ihr vielleicht kurz das Köpfchen. Gott … ich hasse Katzen. Aber wo waren wir? Ah genau, die Präsenz. Vielleicht war es auch einfach der Erklärbär in mir. Ein Wesen, das endlich mal von der Kette wollte. Dieses wenig geliebte Monster, das vor allem Frauen in der Vergangenheit zu Hunderten bis über Landesgrenzen trieb. Oder vielleicht waren es auch die kümmerlichen Überreste eines Idealisten, der dachte: „Eventuell kann man diesem grünschnäbligen Schlacko noch etwas beibringen.“ Schlacko ist übrigens ein Kunstwort aus schlacksig und Spacko, was wiederum höchstgradig unkorrekt daherkommt. Sein Name war Sebastian Hirt, wobei dieser Umstand selbstverständlich keinerlei Rolle spielt. Erwähnung findet er hier nur, weil ich nicht umhin komme, einen gewissen Stolz ob der Tatsache zu empfinden, dass ich es Gott weiß wie geschafft habe, den Namen aus der „Is mir egal“-Schublade in meinem Gehirn zu ziehen.

„Der Volo“, so nannten wir ihn. Wenn es irgendwo Dreck zu fressen gab, wenn es galt, die Scheiße eines anderen wegzuwischen, dann führte mich mein Weg hinaus aus der Schwitzhütte mit den Fenstern zur Schillerstraße, raus über den Gang. An Kirsten, unserer Redaktionsassistentin vorbei, direkt durch die Tür. Es hatte eine gewisse Genugtuung, das geb’ ich hier ohne Scham zu. Hätte ich mich selbst dabei gesehen, vermutlich wäre es mir extrem schwer gefallen, mir nicht mit meiner Stirn das Nasenbein über diesem ekelerregenden Grinsen zu zertrümmern. Aber glücklicherweise musste ich mich dabei nicht sehen. Im Gegensatz zu ihm, dem Volo. Ich konnte sie aber deutlich in seinen Augen erkennen. Wobei das Wort „erkennen“ trifft es nicht, ich konnte sie spüren, die Sehnsucht danach, mir substanziellen Schmerz zuzufügen. Ich sog sie auf wie ein trockener Schwamm. Badete in ihr wie ein Durstender, der sich nach Tagen des Ringens mit dem Wüstentod ins kühle Nass einer Oase fallen lässt. „Spezialauftrag“ sagte ich immer, Dreck-Fress-Hour-Supreme.

Da saß er dann, der Schlacko. Er warf sich nach hinten in den billigen Bürosessel, gebaut aus den Rückenschmerzen mehrerer Generationen an frustrierten Redakteuren. „Och neee“, sagte er jedes Mal – sein erbärmlicher Widerstand wurde zum Treibstoff meines Egos. Ich zermalmte sein lächerliches Aufbäumen durch einen mikroskopisch kleinen Schnipsel an so etwas wie Amtsautorität, mit dem ich über ihn verfügte wie Ramsay Bolton über Theon Greyjoy – “Game of Thrones”-Anhänger nicken wissend. Für Leser ohne weitere Kenntnis transzendental guter Fantasy-Werke: Der Volo war wie die Amerikaner sagen würden „my little bitch“. Zumindest redete ich mir das ein. Don’t judge me, kleine Geister sind überaus erfolgreich darin, sich noch kleinere Geister zu erschnüffeln.

Er war schnell, unser Volo. Das musste ich ihm lassen. Ich meine es wäre ja auch irgendwie unfair, wenn Gott einen so jungen Mann quasi nur aus Unzulänglichkeiten geschaffen hätte. Keiner konnte den Dreck fressen wie er. Der Volo war wie ein unaufhaltsamer Schredder für die Gräueltaten der treuen Soldaten da draußen. Die Totengräber der deutschen Sprache. Leute, die dafür verantwortlich sind, mit stolz geschwellter Brust die Belanglosigkeiten des schwarzwälderischen Hinterlandes per E-Mail in die Redaktion zu schicken, um das Erbe von Kafka und Tucholsky auf einem Altar grammatikalischer Grausamkeit zu opfern.

Es waren die seltenen Stunden, in denen ich so etwas wie Anerkennung für den Volo empfand. Ein kurzes „Och nee“, gefolgt von der Erkenntnis, dass am Arsch vorbei auch ein Weg führt und der Volo presste über Stunden mit brachialer Gewalt Fließtext in Seiten, die das Potenzial zur Traumatisierung einer ganzen Armee an Germanisten in sich trugen. Der Volo interessierte sich in etwa so sehr für die Qualität der Geschichten wie einer der Vereinsmeier da draußen sich für die Schärfe seiner Bilder interessiert. Wobei ich dafür durchaus Verständnis habe. Wenn der versammelte Vorstand des FC „Wir spielen zwar scheiße, dafür sind wir Helden am Glas“ dumm in die Linse grinst, ich hätte das Schärfe-Rad meiner Kamera wohl auch auf „Gesichtsverlust“ gestellt.

Zugegeben: Die Beschreibung meines Verhältnisses zu unserem Volo klingt etwas grausam. Zeit für das Loblied. Danke Volo, nicht für das, was du getan hast, sondern für die Energie, die durch dich in mir frei wurde. Es gab Tage an denen ich mir wie ein Pionier vorkam, ein unbändiger Kreativgeist, der die permanente Beleidigung eines Kollegen zu einem neuen Genre der Kunst erhob. Shame on you all, ihr Profanlinge, die bei der Schöpfung einer nie gekannten Disziplin einfach „Mobbing“ schreien. Die konzertierte Dekonstruktion eines anderen Egos machte mich zu einem neuen Menschen. Sie war die kühle Brise am frühen Abend eines Augusttages. Kurz vor Redaktionsschluss, wenn in dieser gleißenden Hölle der Redaktion einer lokalen Tageszeitung die letzten Reste des eigenen Lebenswillens verbrannten, da war immer noch eine Möglichkeit zur Flucht in die Schöpfung einer weiteren Erniedrigung dieses jungen Mannes. Es war elektrisierend, autoerotisch, danke Volo.

1 Kommentar zu „Danke, Volo

  1. Selten hat mich ein Text über meine Person dermaßen berührt, zum Lachen gebracht und aufs Tiefste beleidigt. Danke dafür.
    Dennoch waren die Lehrjahre für mich ein unersetzbarer Mehrwert, der in mir unglaubliche Kreativität in der Art der Beleidigung gegenüber des verhassten Meisters freigesetzt hat. Auch dafür danke.
    Mein Psychologe ist bester Dinge, dass man das in fünf bis acht Jahren fast wieder hinkriegen kann.
    Viele Grüße, du nervtötender Spätpubertierender mit Hang zu Bomberjacken für Leute ohne jegliche Muskelmasse!

Kommentare sind geschlossen.

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