Kleinkunst-Killer aus dem Finanzamt

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Das ist eine Geschichte von harten Hunden, von Überzeugungstätern. Sie werden nicht müde da draußen im Namen des Steuerzahlers den verdienten Zaster in die Staatskasse zu prügeln. Eine Geschichte von Menschen, die den Regeln folgen, ohne das Richtige zu tun. Es ist eine dieser Unwichtigkeiten, die wütend machen können, ohne es zu müssen, in diesem Land, dem es doch so gut geht und so viele es nicht mitbekommen. Die Zahl der größeren Probleme ist erdrückend. Trotzdem: Es fühlt sich falsch an, was hier passiert ist. Auf keiner Regel-Ebene, auf einer Menschen-Ebene, auf einer „Muss das sein“-Ebene. Vielleicht ist es nichts, vielleicht ist es nur eine unangenehme Begleiterscheinung der gut geölten Maschine, in deren Bauch wir als Zahnräder so gut laufen. Doch vielleicht sagt dieser Ausschnitt an bürokratisch-preußischer Rechtschaffenheit etwas über uns aus, über dieses Land, über diesen Staat, über unsere Seele.

Sie sind fünf Freunde, Verbündete auf unmöglicher Mission. Sie haben ihn noch nicht aufgegeben, den Rock’n’Roll, wie er einmal war, das Ding, das die Kenner seit den 70ern totreden, das doch immer irgendwo weiter geröchelt, manchmal gebrüllt hat. Sie wollen nicht viel: Songs schreiben, Solos schrubben, im Sprinter ein paar mal im Jahr durch Deutschland heizen. Glücklich sein, wenn der eine besoffene Typ jeden einzelnen ihrer Texte kann. Wenn zehn Leute im Publikum an den halbwegs richtigen Stellen klatschen und am Ende fünf Vinyl-Scheiben mit einem „Ihr wart stark Jungs“ über die Theke gehen. Aufgepumpt mit Talent bis ins letzte Bart-Haar. Doch Talent haben heute so verdammt viele.

Die Zeit als noch gedacht werden durfte, einmal auf den großen Bühnen zu stehen, sie ist vorbei. Traurig ist darüber keiner. Leben jenseits der 30 hätte schlimmer sein können. In schwachen Momenten stellt sich der vorige Satz als gar nicht mal so richtig heraus. Die Geschichten aus den Proberäumen werden immer noch erzählt, die Storys von Gigs auf Kleinlastwagen, Konzerten auf Feld-Partys, damals als sie noch dachten, dass Papa Roach die verdammt nochmal geilste Band der Welt war.

Jetzt sind es schon zehn Jahre. Proberäume gibt es noch. Konzerte gibt es noch. Es ist anders, nicht schlechter. Nur das Beiwerk nervt. Zahnrädern in gut geölten Maschinen bleibt nicht mehr viel Zeit für Konzert-Hallen anschreiben, kleine Touren planen, Instagramen, Merch bestellen. Ohne geht auch nicht. Jeder Cent auf dem Konto fließt wieder in die Band. Von Bezahlung kann keine Rede sein. Aufwandsentschädigung, allerhöchstens.

Der weiße Schreibtischritter stellt die Rock’n’Roll-Anarchisten

Zum gleichen Zeitpunkt, als es gerade schwierig wird, die Flamme etwas schwächer lodert, streunt ein aufrechter Finanzbeamter durch die Veranstaltungsstätten der Hessischen Landeshauptstadt und prüft, was es zu prüfen gibt. Vor dem Gesetz sind doch alle gleich, die Ulis, die Panama-Briefkästen, die Kleinkünstler. Wo kommen wir denn hin, wenn wir keine Steuererklärungen mehr machen? Richtig. Chaos, Anarchie. Wenn ein Zahnrad wegbricht, läuft die Maschine nicht mehr rund. Dass die großen Milliarden-schweren Fische oft durch die Lappen gehen, tut hier nichts zur Sache, genauso wenig wie die chronische Unterfinanzierung der Steuerfahndungsbehörden. Es ist ganz einfach: In den Büchern fällt etwas auf – nur eine kleine Unregelmäßigkeit – und die Augen des Finanzbeamten werden zu Schlitzen, ein Bluthund nimmt Fährte auf, der Navy-Seal schiebt das Magazin in seine Glock und lädt sie durch – mit einem „Let’s take those motherfuckers down“ auf den Lippen.

Irgendwo stand dann auch der Name dieser Band und der Herr Finanzbeamte war sich sicher: Hier schlummert hoheitliches Geld. Der weiße Schreibtischritter stellte die Rock’n’Roll-Anarchisten und schwang sein Zwangsgeldandrohungs-Schwert. Zeigt mir Eure Bücher oder ich zeige Euch, was es heißt, wenn Papa Staat den Schmusekurs ändert. 2000 Euro Strafe. Empfindlich. Was bleibt: Zur Bank gehen, drei Jahre Kontoauszüge, 65 Euro kostet sowas. Steuererklärungen nachholen, dem lieben Herrn Finanzritter sehr höflich darlegen, dass „WIR EINEN VERDAMMTEN SCHEISS VERDIENT HABEN“, um danach mit einem Aufrechter-Deutscher-Gefühl die 200 Euro Strafgebühr pro Person nachzuzahlen.

Wie gesagt, tragisch ist das nicht, keiner wird hier langfristigen Schaden tragen. Trotzdem bleibt dieses Gefühl. Wenn wir den Drang zur Kreativität besteuern. Menschen die letzten Freiräume enger machen. Hobbykünstlern, die kein Geld verdienen. Der Kreis an Berufskünstlern passt wahrscheinlich in eine einzige Konzert-Halle. Die machen ihre Steuererklärungen, obwohl das Leben von Kreativität bestimmt kein leichtes ist – spätestens, wenn irgendwann der Tag kommt, an dem jemand das Wort „Rente“ in den Mund nimmt. Kunst ist trotzdem nicht totzukriegen, keine Frage. Es wird immer tausende Bands da draußen geben, die Platten machen, Rock’n’Roll am Leben halten. Daran wird eine Armee aus Steuerrittern auch nichts ändern. Dennoch: Dieses Gefühl, es bleibt, dass irgendetwas falsch läuft, wenn die kleine Kunst einen großen Gegner hat, der auch noch angestellt ist, bei Papa Staat.

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